Speichersee Alpen

BergAnsichten: Der zukünftige Umgang mit der Ressource Wasser


Kommentar von Edgar Grämiger in Internationale Seilbahn-Rundschau 6/2022 ISR


Wasser ist eine überlebensnotwendige Ressource, die gemäss Klimaforschern in Zukunft vor allem im Sommer deutlich knapper werden wird. Die Akteure im alpinen Raum müssen sich schon heute dem Problem stellen und gemeinsam Lösungen für einen nachhaltigen Wasserumgang entwickeln.

Wasser ist eine überlebensnotwendige Ressource, die gemäss Klimaforschern in Zukunft vor allem im Sommer deutlich knapper werden wird. Die Akteure im alpinen Raum müssen sich schon heute dem Problem stellen und gemeinsam Lösungen für einen nachhaltigen Wasserumgang entwickeln.

Zuweilen fühlt es sich an, als ob sich die Welt in einem sich immer schneller drehenden Veränderungsstrudel steckt. Eine Krise jagt die nächste und die neusten technologischen Errungenschaften werden in immer kürzeren Abständen abgelöst. Die Fähigkeit zu antizipieren, um relevanten Trends und Veränderungen zu erkennen, gewinnt an Bedeutung. Mit dem Klimawandel zeichnen sich nicht nur Aufgaben im Bereich der Reduktion von CO2-Emissionen an, auch unser Umgang mit Wasser wird in Frage gestellt.

Gemäss aktuellen Erkenntnissen der Klimaforschung wird es im Winter zukünftig bis zu 20% mehr Niederschlag geben (bis 2050, MeteoSchweiz). Da gleichzeitig die Temperatur ansteigt, fällt dieser zusätzliche Niederschlag weniger in Form von Schneeflocken, sondern – auch in höheren Lagen – häufiger in Form von Regentropfen vom Himmel. Der Effekt der wärmeren Temperaturen überwiegt je nach Höhenlage den Effekt des zusätzlichen Niederschlags und die Schneedecke wird über das gesamte Winterhalbjahr dünner.

Im Sommer hingegen sind Trockenperioden, wie wir sie im Sommer 2022 erlebt haben, immer wahrscheinlicher (prognostiziert sind 25% weniger Niederschlag bis 2050). Der alpine Raum hängt mit dem «Unterland» zusammen. Kann in den Alpen im Winter nicht mehr Wasser gespeichert (Gletscher, Speicherseen) werden, erhöht sich die Wasserknappheit sowohl in den Bergen als auch im Flachland.

Die Alpenländer – die Wasserschlösser Europas – werden die Folgen spüren: Der Preis für Wasser steigt, da die Verfügbarkeit (das Angebot) tendenziell sinken wird. Bei Flüssen und Bächen werden höhere Restwassermengen gelten, was beispielsweise den Wassergebrauch in der Stromproduktion einschränkt. Es wird in Zukunft eine ausführlichere Debatte zwischen den unterschiedlichen Nutzungen von Wasser brauchen. Soll im trockenen Spätsommer verfügbares Wasser für die Beschneiung gespart, für die Alpwirtschaft oder für das Wellnessbad gebraucht, oder für die Stromproduktion genutzt werden? Was ist der Preis für eine Kubikmeter Wasser, wenn statt Strom technischer Schnee produziert wird?  

Aus der Sicht aller Akteure im Alpenraum, den Destinationen, Beherbergungsbetrieben und Bergbahnen muss die Entwicklung frühzeitig antizipiert werden. Es braucht gemeinsame, zukunftsfähige Lösungen.

Erste Destinationen kümmern sich schon heute fundiert um die Ermittlung des gegenwärtigen und zukünftigen Wasserangebotes sowie der Nachfrage. Es werden Konzepte und Massnahmen zum Wassersparen, zur Wasserspeicherung und zur fairen Verteilung entwickelt. Letztlich haben alle Anspruch: die Wohnbevölkerung, die Hotellerie, das Gewerbe, die Zweitwohnungen und die weiteren touristischen Leistungsträger wie die Bergbahnen.

Aus Sicht des Tourismus und damit sich die Gästebetten füllen, müssen die Skipisten beschneit werden können. Ein beschneites Grundangebot pünktlich zu Saisonbeginn ist notwendig. Das Bereitstellen von Pisten dank einer modernen Beschneiung ist regionalwirtschaftlich relevant.

Um in der Destination für alle Anspruchsgruppen ausreichend Wasser zur Verfügung zu haben, ist eine vertiefte verbraucherübergreifende Koordination beim Wasserverbrauch unumgänglich. Auch Wassersparmassnahmen – genau gleich wie Energiesparmassnahmen – werden zum Pflichtprogramm einer Bergbahnunternehmung gehören. Dies betrifft vor allem die Beschneiung, bei welcher die Effizienz noch wichtiger wird. Wasserverluste müssen minimiert werden.  

Das Wasser als kostbares Gut wird noch kostbarer. Auf der Angebotsseite wird es notwendig sein, dass mehr Wasser für die Beschneiung im November und Dezember gespeichert wird. Die geschaffenen Retensionsvolumen können aber weitere Zwecke erfüllen – Win-Win-Strategien sind möglich! Im Winter Beschneiungsteich, im Sommer Wasserreservoir für die Alpwirtschaft und bei überschüssigem Solarstrom eine Nutzung als Pumpspeicherkraftwerk für die Stromspeicherung.

Die Diskussionen, welche wir in den letzten Jahren zum Thema Strom resp. Energie geführt haben, werden in den nächsten Jahren zum Thema Wasser geführt werden. Bevor ein Engpass mit zu wenig Angebot und zu hohen Preisen Realität wird, sollten wir die Zeit nutzen.

Energie und Wasser muss man sinnvoll und noch effizienter nutzen. Jedoch gibt es in den Alpen einen grossen Unterschied: die Energieproduktion kann deutlich zugebaut werden – das Wasserdargebot nicht. Es kann nur intelligent gespeichert, genutzt und fair verteilt werden.

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