BergAnsichten: „Resizing“ – Schreckensszenario oder Erfolgsstrategie?
Kürzere Winter, starke Niederschlags- und Temperaturschwankungen, veränderte Nachfrage im Wintersport, Wettbewerbsdruck, erodierende Beherbergungsstrukturen … Skigebiete und Winterdestinationen – vor allem auf mittlerer Höhenstufe – müssen mit unternehmerischer Weitsicht die Zukunft planen. Welche Investitionen sind die richtigen und welche Infrastrukturen können rentabel betrieben und finanziert werden?
Die Unternehmen sind gefordert im Rahmen des Risikomanagements realistische (ungeschönte) Umfeldszenarien zu entwickeln und eine glaubwürdige Beurteilung vorzunehmen. Möglichst mit wissenschaftlicher Beurteilung von mikroklimatischen Entwicklungsszenarien. Das eigene Geschäftsmodell muss auf seine saisonale «Widerstandsfähigkeit» überprüft werden. Gibt es Lücken im Geschäftsmodell, die geschlossen werden müssen?
Der alpine Tourismus hat die Tendenz mit einer optimistischen «Flucht nach vorn» zu reagieren und Neuinvestitionen und -erschliessungen in das Skierlebnis anzustreben. Bei einer steigenden Zahl von Destinationen ist dies jedoch mit hohen Risiken und einer möglichen Überschuldung verbunden. Dabei werden resilientere Strategien oft vernachlässigt. Könnte möglicherweise ein «Resizing» – also ein teilweiser Rück- und Umbau von Infrastrukturen –eine Erfolgsstrategie sein?
In einem «Resizing»-Szenario stellen sich u.a. folgende Grundfragen:
- Welche Infrastrukturen sind nicht systemrelevant und weisen tiefe Frequenzen auf? Wie würde sich ein ersatzloser Rückbau auf die Gesamtrentabilität auswirken? Welche Infrastruktur ist überaltert, personalintensiv und zeitlich limitiert geöffnet?
Ziel ist es, die Destination auf veränderte Umfeldbedingungen anzupassen und sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Unnötiger, angesammelter Ballast wird abgeworfen, um Raum für neue Agilität zu schaffen. Der Fokus soll auf Anlagen ausgerichtet werden, die flexibel und ganzjährig im Einsatz sind. - Wie haben sich die Kundenstruktur und Marktbedürfnisse verändert? Sprechen wir noch die richtigen Zielgruppen und Märkte an?
Voraussetzung für eine neue Positionierung sind die relevanten Marktverhältnisse und -trends zu kennen. Bei welchen Zielgruppen und Nischenmärkten ist das redimensionierte Angebot wettbewerbsfähig? - Kann mit dem «Resizing» möglicherweise ein neues Potential erschlossen werden? Besteht die Möglichkeiten einer Diversifikation (Ganzjahresdestination)?
Durch die Redimensionierung frei gewordene Ressourcen und Mittel sind in eine tragfähige neue Positionierung und Diversifikation zu investieren: weniger in neue teure saisonale (schneeabhängige) Infrastrukturen, mehr in flexible Erlebnisinfrastrukturen und Events für neue Zielgruppen wie Wanderer, Biker, Naturliebhaber und Bergenthusiasten mit ganzjährigem Potential. Erfolgsbeispiele von Bergbahnen aus tieferen Lagen zeigen, dass es für eine gute ganzjährige Auslastung der Infrastruktur ein stimmiger, bunter Blumenstrauss an unterschiedlichen Attraktionen und Erlebnissen braucht. - Welches Markenversprechen und welche Qualitätsstandards können wir letztlich mit welchen Kernkompetenzen umsetzen?
Die Servicequalität und Verbesserung des Kundenerlebnisses – auch mit reduzierten Infrastrukturen – muss sichergestellt werden. Marke und Marketingkommunikation sind entsprechend anzupassen. Auf welche Kernkompetenzen besinnen wir uns und was kann ausgelagert werden? - Mit welchen Kooperationen und Partnerschaften könnten wir Wettbewerbsvorteile erlangen und die Effizienz steigern?
Zu oft agieren Bergbahnen auf das eigene Unternehmen und Destination fixiert und vernachlässigen das Potential von horizontalen und vertikalen Kooperationen in der gesamten Servicekette, in der Vermarktung oder technologischen Innovationen, die überbetrieblich umsetzbar sind. - Wie kann ein «Resizing» eine Erfolgsstrategie zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Positionierung werden?
Spätestens bis 2050 muss auch der Tourismus die Nachhaltigkeitsziele erreichen. Hier bietet sich für Bergbahn-Unternehmen die Chance, sich als DIE umweltfreundliche und verantwortungsbewusste Ferien- und Freizeitoption zu präsentieren. Der Anpassungsdruck durch politische Auflagen und gesteigertes Umweltbewusstsein künftiger Touristen wird markant zunehmen. Erlebnisse und Neuinvestitionen sind konsequent klimaneutral umzusetzen; dies dürfte mit einem reduzierten Anlagenpark und weniger Kapitalbindung einfacher sein.
Vor dem Hintergrund der sich stark verändernden Umfeldfaktoren, müssen Bergbahnen ihre Strategien und Angebote überdenken. Die unterschiedlichen Entwicklungsszenarien wie eine «Resizing»-Strategie sind gründlich zu prüfen und einer Wachstumsstrategie für das Skierlebnis als Flucht nach vorn, gegenüberzustellen. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung und müssen im Lichte von künftigen Umfeldszenarien auf ihre Widerstandsfähigkeit geprüft werden.